Autorenfoto Thomas Rosenlöcher, Bild von Inge Zimmermann
15.04.2024
Karin Großmann

»Allein ein Kichern ändert schon die Welt …«

Der Schauspieler Ahmad Mesgarha erinnert an Thomas Rosenlöcher

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Schon wieder zwei Jahre her? Am 13. April 2022 starb Thomas Rosenlöcher. Er konnte den Kirschblütenschnee beschreiben wie wenige. In jedem einzelnen Blatt begriff er die Welt. Mit Poesie verteidigte er sie gegen den platten Verstand. Schaumzikade und Käferkönig machte er sich zu Verbündeten und die Engel sowieso. Auf einzigartige Weise vereinte der Dresdner Dichter Romantik und Ironie. Ein spöttischer, blitzgescheiter, melancholischer und hochmusikalischer Geist. So zeigte er sich in seinen schmalen Büchern mit Gedichten, Essays, Erzählungen und Kindergeschichten. Wer ihn einmal bei einer Lesung erlebte, vergisst das nicht. Rosenlöcher und Rosenlöchers Tonfall gehörten zusammen.

Wenn ein Schriftsteller stirbt, beginnen seine Texte ein eigenes Dasein – vorausgesetzt, es kümmert sich jemand darum. Das tut Ahmad Mesgarha, Ensemblemitglied im Dresdner Staatsschauspiel und Stammgast in Hoppes Hoftheater. Dort steht er mit seinem hervorragenden Kästner-Programm auf der Bühne, mit klassischen Balladen und Otto Reutters Couplets. Jetzt verbündete er sich mit der Dresdner Gitarren-Künstlerin Sina Neumärker in der Erinnerung an Thomas Rosenlöcher. Es überrascht, dass sich der Dichter und der Schauspieler nur einmal begegnet sind. Mesgarha erzählt, wie sie sich als Mitwirkende einer Veranstaltung im Schauspielhaus im Garderobengang trafen und einander zunickten, so freundlich wie ratlos, »wir glaubten, wir müssten uns kennen«. Erst nach dessen Tod habe er Rosenlöcher gelesen, sagt Mesgarha, und habe gedacht: So ein Mist, warum erst jetzt, wir hätten doch gemeinsam …

Was er für Hoppes Hoftheater ausgewählt hat, überrascht zunächst und überzeugt sofort. Es sind vor allem solche Texte, die eine Geschichte erzählen. Der Schauspieler begleitet den Dichter bei Waldspaziergang und Liebesentzug und sieht ihn sich spiegeln im Kaufhausfenster mit Bauch und Bart. Er hört wie dieser das »Pfingstgeistgebrumm« in der weißgoldenen Kirche von Hosterwitz und das Kichern eines kleinen Engels, wenn sich die Propheten in ihren Abzählversen verirren. »Allein ein Kichern ändert schon die Welt.« Ein Satz, der bleibt. Kindheit und Schulzeit werden heraufbeschworen, Hirngefunkel und Pappelflaum. Doch wie anders klingen die bekannten Verse, weniger sächsisch-weich und ungleich dramatischer in der Interpretation von Ahmad Mesgarha. Man spürt sein Vergnügen an Worterfindungen und grotesken Einfällen. Die Geschichten aus dem Insel-Band Liebst Du mich ich liebe Dich verwandelt er in feine, kleine Theaterstücke.

Der Abend zeigt weniger den politischen Autor, der Rosenlöcher auch war, mit Bänden wie Die verkauften Pflastersteine und Ostgezeter oder seinen Essays vom Sandsteindresden. Ahmad Mesgarha erinnert mit seiner Auswahl jedoch daran, wie oft und wie selbstverständlich sich der Dresdner Dichter in Lyrik und Prosa mit dem Tod und der Endlichkeit des Lebens befasste. Thomas Rosenlöcher wurde 74 Jahre alt.

Die Veranstaltung fand am 13.04. in Hoppes Hoftheater statt.