Autorenfoto Sandra Hüller, Bild von Christian Hüller
Saša Stanišić, Bild von Katja Sämann
Candlelightdynamite, Bild: Axel Schilling
Paula Irmschler, Foto: PR
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17.09.2020
Juliane Hanka

Einmal durchmischen, bitte!

Das 12. Literatur JETZT! Festival möchte Grenzen überwinden

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Literatur JETZT? Der Titel des größten, jährlich stattfindenden Lesefestes in Dresden könnte nicht passender sein: denn hier trifft das geschriebene Wort auf eine gesprochene Gegenwart, hier mischt sich die Literatur in allen ihren Formen mit Musik und Entertainment, mit Darstellender oder Bildender Kunst, mit journalistischer, aber auch (sozial)wissenschaftlicher Betrachtung – hier vermischen sich also die so oft getrennt voneinander behandelten Genres der Pop- und der Hochkultur. Was alles zusammenhält, ist die Aktualität der Themen – verhandelt wird das Hier und Jetzt.

In den ausgewählten Texten fallen Sätze wie: »Die soziale Einrichtung, die sich für unsere Integration am stärksten einsetzte, war eine abgerockte ARAL-Tankstelle. Die Tankstelle war die innere Schweiz: neutraler Grund, auf dem die Herkunft selten einen Konflikt wert war.« (aus Herkunft vom Deutschen Buchpreis-Gewinner Saša Stanišić). Die Eltern des Autors flohen mit ihrem 14-jährigen Sohn nach Deutschland. Aus Jugoslawien, aus dem Teil, der gerade zum unabhängigen, aber nationalbewussten Bosnien-Herzegowina wurde und in dem man für Moslems auf einmal nicht mehr viel übrig hatte, auch, wenn die nichts von Religion hielten. Stanišić schreibt humorvoll und zuweilen wenig beschönigend darüber, wie es sich anfühlt, in gleich zwei Kulturen nicht dazuzugehören. Und wie er dennoch in diesen zwei Kulturen lebt – in der einen, gebaut aus Erinnerungen und oft mystischen Familiengeschichten und in der anderen, die mit der Tankstelle und – nach der gelungenen Integration – mit einer Leidenschaft für Hölderlin-Gedichte.

MISS PIGGY: Am liebsten würdest du doch alleine leben.
KERMIT: Das wäre viel teurer, wegen der kleineren Verpackungseinheiten.
MISS PIGGY: Es ist so ermüdend, daß man mit dir nie ernsthaft reden kann.
KERMIT: Andere wären froh über einen so humorvollen Frosch.

(aus »Paargespräche« von Line Hoven und Jochen Schmidt)

Auch Paula Irmschlers Romanheldin, genannt Gisela, möchte Teil einer Gruppe sein, ist aber zu faul für so ziemlich alles. Doch sie findet gleich drei Freundinnen, die sie beim mehr oder doch eher weniger Studieren in Chemnitz kennenlernt und mit denen sie prima saufen, auf Antifa-Demos oder klauen gehen kann. Denn »Klauen ist wie Containern, nur vorher« und die Gang ziemlich geschäftstüchtig: Im Supermarkt stecken sie sich zwei Dosen Red Bull in die Taschen, trinken sie aus und geben sie am nächsten Tag zurück. Von den fünfzig Cent Pfand kaufen sie Nudeln oder Joghurt. Und klauen bei der Gelegenheit auch gleich wieder zwei Dosen. Fast zufällig gründen die vier eine Band namens Superbusen und gehen auf, natürlich nur so etwas wie eine Tour – alles wabert mehr oder weniger angenehm vor Gisela her. Doch irgendwann einmal muss sie eine echte Entscheidung treffen, nämlich darüber, wo es hingehen soll mit ihrem Leben.

»An Gott hab ich nie geglaubt. Aber wen hätte das je vom Beten abgehalten?«

(aus »Ein Mann seiner Klasse« von Christian Baron)

Doch neben den eher klassischen Lesungen gibt es eben all jene Misch-Formate. So eröffnet die gerade zur Schauspielerin des Jahres gekürte Sandra Hüller das Festival und gestaltet gemeinsam mit dem Schauspieler Jens Harzer einen Abend mit Texten von Ingeborg Bachmann (Deutschland-Premiere). Es gibt eine Naturkunden-Matinee, eine von Jarii van Gohl (von der Band DŸSE) moderierte Pop & Poesie-Show mit Francesco Wilking von der Band Die Höchste Eisenbahn, Jen Bender von der Band Grossstadtgeflüster und Wolfgang Grossmann, traditionell ist schon die Nacht der Lesebühnen, ganz neu eine Themennacht zur Liebe unter dem Motto »Es ist kompliziert«, den Reporter Slam (in der Scheune), einen mobilen Lyrikabend »Zentralwerk der Poesie« (u. a. mit Kerstin Preiwuß), ein Fantasy-Action-Hero-Adventure-Live-Hörspiel und – am Samstag und Sonntag – das Kinderliteratur-Festival LITERATUR FETZT!

Literatur JETZT! Ein Festival vom 23.-27.09.20 im Zentralwerk Dresden (und einem Außer-Haus-Termin in der Scheune)

Das komplette Programm finden Sie auf: https://literatur-jetzt.de/
Die Veranstaltungen auf Facebook: https://www.facebook.com/literaturjetzt

Zum Festival-Trailer