Der Buchhändler Sven Bernitt, Foto: privat
09.09.2024
Karin Großmann

»LeseLust« ist hervorragende Buchhandlung!

Wie Sven Bernitt mit handverlesenem Angebot um die Treue seiner Kunden wirbt

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Seit einem knappen Jahr weist endlich ein feines schmiedeeisernes Schild den Weg zur Buchhandlung LeseLust. Sie liegt in einer Passage der Dresdner Hauptstraße, linker Hand zwischen Goldenem Reiter und Albertplatz. »Sie haben sich aber versteckt«, sagen manche Kunden, »gut, dass wir Sie noch gefunden haben!« »Ja«, sagt Sven Bernitt dann, »da freue ich mich mit.« Sein Laden ist anders als andere. Hier geht der Fantasy-Trend vorbei. Hier stehen Romane nicht alphabetisch sortiert. Hier gibt es kein Nonbook, weder Plüschtier noch Kochlöffel. »Bücher und nur Bücher, und das soll auch so bleiben«, sagt Bernitt. Der 64-Jährige ist sein eigener Chef und sein bester Mitarbeiter. Als einziger Dresdner war er für den Deutschen Buchhandelspreis nominiert. Mehr als 400 seiner Kollegen bundesweit hatten sich darum beworben.

Am Sonntag wurde LeseLust bei einem Fest in Frankfurt/Oder in der Kategorie »Hervorragende Buchhandlung« mit einer Prämie von 7.000 Euro ausgezeichnet. »Ich freue mich riesig darüber«, sagt der Buchhändler, »doch im Grunde gebührt die Anerkennung vor allem meinen Kunden, Unterstützern und Freunden.« Ihre Aufmerksamkeit gewinnt er mit einer handverlesenen Auswahl. Er weiß, wer sich für Chinas Entwicklung interessiert oder auf den neuen Krimi von Frank Goldammer wartet. Neben druckfrischer Prosa bietet LeseLust Sachbücher und Kinderbücher, Fotobände und Wanderführer, Inselbändchen und Regionalia. Regelmäßig wird das Klassik-Regal bestückt. Als Kontrastmittel gegen Schnelllebigkeit und Beliebigkeit empfiehlt Bernitt die Reihe »Erlesenes lesen« aus dem Kröner-Verlag. Demnächst erscheinen Stefan Zweigs historische Miniaturen Sternstunden der Menschheit. Leinenbindung, Lesebändchen, Nachwort, zeitgenössische Abbildung – dafür wurde der Buchdruck erfunden. Wenn Sven Bernitt sein »Kleeblatt« verschickt, ist Weltliteratur dabei.

Das Kleeblatt ist ein Newsletter mit vier Lektüretipps. Er kann auch Kenner überraschen. »Gerade die kleine Form macht mir großen Spaß«, sagt Bernitt. »Mit wenig Worten viel zu sagen, ist eine Herausforderung.« Das hat er gelernt. Kurz nach dem Mauerfall beendete er sein Fernstudium als Journalist. Die Welt am Sonntag in Berlin nahm ihn mit Kusshand für den Aufbau einer Ost-Redaktion. Regionale Kompetenz war gefragt. Bernitt, in Pirna geboren, begann als Pauschalist und war bald Redaktionsleiter. Mit viel Tamtam wurde eine Dependance in Dresden eröffnet. »Wir konnten tun, was wir wollten, und haben den Vereinigungsprozess ziemlich kritisch begleitet. Das lief alles sehr offen und liberal.« 1997 war auch schon wieder Schluss in Dresden. Es rechnete sich nicht. Mit Aufhebungsvertrag und Abfindung ging der Journalist 2002 von Bord. Ganz spontan habe er beschlossen, sagt Bernitt, eine Buchhandlung zu eröffnen. »Gelesen habe ich von klein auf.«

LeseLust zog 2012 von der Louisenstraße in die Passage der Hauptstraße. Schieferplatten bedecken den Boden des Ladens. Zu den Vormietern gehörte ein Blumengeschäft. Die Galerie nebenan steht schon lange leer. Inzwischen sei er ganz froh geworden mit dem Ort, sagt Bernitt. Seine Stammkunden kommen aus umliegenden Büros und Läden, auch vom Weißen Hirsch. Viele kommen nicht nur wegen der Bücher. Sie suchen das Gespräch. »Als Buchhändler ist man auch Tröster und Versteher. Man wird zum Vertrauten.« Wie das gelingt? Mit Zuhören und Gelassenheit. Mit freundlicher Ironie. Mit Klartext-Reden. Seine Meinung drängt der Mittsechziger niemandem auf. Nachzulesen im Tagebuch seiner Homepage.

Sein Lieblingsautor ist derzeit der Österreicher Clemens J. Setz. »Manche finden seine Texte verwirrend, für mich sind sie grandios.« Der neue Setz-Band über Twitterpoesie liegt griffbereit im Regal. Doch zum Lesen bleibt tagsüber kaum Zeit. Der Buchhändler hat nicht nur im Laden zu tun. Für Lesungen organisiert er den Büchertisch, zum Beispiel auf dem Dresdner Theaterkahn. Seit drei Jahren beliefert er die Städtischen Bibliotheken mit Neuerscheinungen ostdeutscher Autoren und Sachsen-Titeln. »Das ist ein absoluter Glücksfall und ergänzt sich wunderbar mit meinem Angebot.« Ein Drittel seines Umsatzes läuft über die Internet-Plattform Booklooker.

Die Frage nach Selbstausbeutung, Urlaubsreisen und dem Verhältnis von Aufwand und Nutzen muss man solchen Einzelkämpfern nicht stellen. »Solange ich die Inspiration für den Beruf habe und dadurch Inspiration bekomme, so lange werde ich hier arbeiten«, sagt Sven Bernitt.