Dana von Suffrin © Michaela Senz
13.05.2025
Literaturnetz Dresden

Erinnern und erzählen

Dana von Suffrin erhält den Chamisso-Preis 2025

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Die Schriftstellerin Dana von Suffrin ist eine literarische Stimme, die sich einen festen Platz in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur erarbeitet hat. Darum wird sie am 16. Mai 2025 mit dem renommierten Chamisso-Preis ausgezeichnet.

Geboren wurde Dana von Suffrin 1985 in München als Tochter jüdischer Eltern. Sie studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in München, Neapel und Jerusalem. Ihre wissenschaftliche Arbeit ist geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur, Judentum und europäischer Geschichte. Diese Themen finden sich auch in ihrem literarischen Werk wieder – mit einem Stil, der sowohl intellektuell als auch sehr menschlich ist.

Bekannt wurde sie insbesondere durch ihren Debütroman Otto, der 2019 erschien. Die Geschichte dreht sich um einen alternden jüdischen Patriarchen, dessen Töchter versuchen, ihn zu pflegen und gleichzeitig mit den familiären, historischen und existenziellen Lasten zurechtzukommen. Der Roman überzeugte nicht nur literarisch, sondern traf auch einen Nerv in gesellschaftlichen Debatten um Erinnerung, Zugehörigkeit und Identität. Die Presse zeigte sich begeistert. Die Süddeutsche Zeitung lobte den Roman als klug komponiertes Familienporträt – Dana von Suffrin beherrsche »die Kunst des feinen, genauen Erzählens«. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hob ihren »scharfen Witz« und den Umgang mit »komplexen Erinnerungslandschaften« heraus – der Roman wechsle »mit ungewöhnlicher Leichtigkeit zwischen Komik und Tragik«. Besonders hervorgehoben wurde von Suffrins Fähigkeit, historische Themen wie die Shoah oder Migrationserfahrungen in den Familienhintergrund einfließen zu lassen, ohne belehrend zu wirken.

»Ich wollte ein Buch schreiben, das traurig und komisch zugleich ist – so wie das Leben eben auch ist«, sagte Dana von Suffrin in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur über ihr Debüt. »Mich interessiert, wie Geschichte in den Familien weiterlebt, wie sie erzählt – oder eben nicht erzählt wird.« Dabei spielt auch Humor eine zentrale Rolle: »Ich glaube, Humor ist ein Überlebensmittel. Gerade, wenn es um schwierige Themen geht.« Ihre Figuren tragen Lasten, aber sie tragen sie nicht allein – sie verhandeln Identität, Herkunft und Gegenwart mit Witz, Widerspruchsgeist und Wärme. Für die Autorin bedeutet Literatur, »das Schweigen zu brechen, das viele Familien umgibt – und zugleich die Widersprüche auszuhalten, die daraus entstehen.«

2024 erschien ihr zweiter Roman Nochmal von vorne, in dem sie erneut mit gesellschaftliche Brüche, familiäre Rollenbilder und die Frage nach einem gelingenden Leben verhandelt. Im Mittelpunkt steht diesmal eine Frau, die nach einer persönlichen Krise versucht, ihr Leben neu zu ordnen – ein ebenso ernstes wie humorvolles Porträt über Neuanfänge, inneres Wachstum und den leisen Widerstand gegen gesellschaftliche Erwartungen.

Neben ihrer Prosa hat Dana von Suffrin auch Hörspiele, Essays und literarische Beiträge in Zeitschriften veröffentlicht. Sie betont immer wieder die Bedeutung einer aktiven Erinnerungskultur und sieht die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als wichtig für ein gelingendes Zusammenleben an. In einem Interview sagte sie: »Es ist unsere Pflicht, uns an die Geschichte zu erinnern – nicht um Schuld zu verteilen, sondern um Verantwortung zu übernehmen.« In Gesprächen äußerte sie sich besorgt über den zunehmenden gesellschaftlichen Rechtsruck und das Aufkommen von Ressentiments, die früher als tabu galten. Dabei spricht sie sowohl aus persönlicher Betroffenheit als auch als politische Beobachterin. Dem gegenüber betont sie: »Ich glaube, dass wir eine Vorstellung davon brauchen, was uns als Gesellschaft zusammenhält – jenseits von Herkunft oder Religion« (Süddeutsche Zeitung, 2020).