Yevgeniy Breyger (c) privat
Autorenfoto Jan Kuhlbrodt, Bild: Nelly Tragousti
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Donnerstag, 08.10.2020
19:00

Yevgeniy Breyger und Jan Kuhlbrodt

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Buchpremiere der Lyrikanthologie »denkzettelareale«

Zu Gast zur Buchpremiere sind Jan Kuhlbrodt, bekannt als einer der Herausgeber der Reihe Neue Lyrik, und der Lyriker und Übersetzer Yevgeniy Breyger.

Kuhlbrodt stellt den in der Ukraine geborenen Dichter vor als »mit allen rhythmischen Wassern gewaschen«. Breygers Gedichte wirken auf ihn »wie eine kabbalistische Beschwörung. Mystik, die sich ins Absurde wendet, aus dem Absurden aber auch wieder heraus.« Breygers Verssprache ist Fluss und Sediment zugleich. Der Autor ist nicht festzulegen, nicht einzuschnüren in ein kulturelles Gestell. Vielmehr finden sich Anklänge verschiedenster Zeiten und Regionen.

Im Gedicht EBBE 14. liest sich das so:

waggons in reihen. außen-innen-schlange. gelegte freude,
bahn als loser aufzug – aufzug dient als traumfigur –
ein tunnel, der zum loch führt: ich schreie dir verführungen
ins ohr. solangs gen himmel schlingt, die sollbruchkante.

sieh dich vor, konkrete gäste wollen erst dessert, dann
wahre nahrung. mit zuckerwatte fährst du nicht verkehrt.
und bifi. rasch weiter. hast du ans besteck gedacht?
das wäre dein milieu als gast. nomadengäste essen reste.

aus fischen gräten. steinobst aus dem stein. zurecht-
geschnürte blicke räumen das bankett auf. bankett
als deine fahrt. die fahrt als dröhnung (drohung).
das gröbste wurde selten aufgetischt. da fällt’s dir ein.

ganz oben willst du nicht alleine sein. die nächste runde.
waggons in reihen. bahnen, schlangen. und immernoch
kein fenster raus. innenansicht. oben angekommen: nonnen.

 

Auch Yevgeniy Breyger gibt in einer kurzen Notiz Auskünfte über seine Poetik: »Verstehe ich mich als Körper, der sich einem von mir erdachten und dennoch realem Einfluss des Mondes ausliefert, erwarte ich von einem Gedicht, dass sich in ihm ebenjene scheinbar entgegengesetzten Kräfte spiegeln, um sich am Ende (sic!) als ein Mechanismus zu entlarven, der sich in seiner Gesamtstruktur (sic!) einem einzigen großen Impuls aussetzt. Fleisch & Skelett zugleich als Zeilen, die wie unausgeglichene Gegengewichte innerhalb des Gedichts umherpendeln, magnetisch aufeinander einwirken und ein dynamisches Mobile hervorbringen – das lebendige, multilaterale, pulsierende Gedicht, dessen Verweise in alle Himmelsrichtungen deuten, aber im Innren auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt hinauslaufen – das Gedicht als stacheliger eingerollter Igel, der sich in einem verzweifelt harmlosen und dennoch unendlich mutigen Akt seinem natürlichen Feind, dem Wolf, entgegenstellt.«

Neben Yevgeniy Breyger sind auch die Herausgeber und der Verleger Bertram Reinecke (Verlag Reinecke & Voß) anwesend.

denkzettelareale. Junge Lyrik, herausgegeben von Aron Koban und Annett Groh, Verlag Reinecke & Voß, Leipzig 2019.

 

Eintritt: 6 | 4 Euro
Der Veranstaltungsort ist barrierefrei zugänglich.
Eine Kooperation der Literarischen Arena e. V. mit der Evangelischen Akademie und den Museen der Stadt Dresden.