Aristoteles unterschied fünf Sinne des Menschen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tastsinn.
Nach taoistischer Tradition gibt es fünf Elemente: Wasser, Feuer, Erde, Holz, Metall.
Die Fünf ist auch die Zahl der Liebe.
Der Autor Volker Sielaff findet: Grund genug, Schriftstellerinnen und Schriftstellern fünf Fragen zu stellen und sie um grundlegende wie sinnlich-sinnige Antworten zu bitten.
Worüber haben Sie zuletzt gestaunt?
Über das Fluginsekt heute mittag in meinem Zimmer. Zuerst hörte ich es nur laut vom Fenster her surren und dachte, es wäre ein elektrisches Gartengerät drüben bei den Nachbarn. Dann flog dieses Ding aus dem Fensterrahmen hoch, es sah aus wie eine langgezogene Wespe, aber es hatte zwei Leiber, am oberen Leib hing an einer dünnen Verbindung ein zweiter, etwas kleinerer Leib. Dazu große, dunkle Flügel. Es schwebte zum Fenster raus, kam aber mehrmals wieder rein, bis es schließlich draußen verschwand. Sowas habe ich noch nie gesehen, ich weiß immer noch nicht, was für ein Insekt das war.
Worüber waren Sie zuletzt zornig?
Vor einer Weile war ich zornig über die Praxis der Impfterminvergabe in den sächsischen Impfzentren. Stundenlang hing ich in der Online-Warteschleife, um am Ende mitgeteilt zu bekommen, dass ich es an einem anderen Tag versuchen solle. Es war wie bei einer Versteigerung auf Ebay, man musste einfach Glück haben und durchkommen durch die digitalen Labyrinthe. Eine Situation, wie sie Kafka erfunden haben könnte, keine sicht- und greifbaren Menschen, Telefonnummern, die ins Leere führten. Vergeblichkeit und Surrealität waren die Begriffe, die mir damals sehr präsent waren. Zum Glück bekam ich dann einen Termin in einer Arztpraxis. Ich finde, dass ein Bundesland seine Bürger so einfach nicht behandeln darf.
Welcher Ort inspiriert Sie?
Der Leipziger Auwald. Weil ich seit Beginn der Pandemie jeden Tag dort herumgelaufen bin und mir einen ganzen Roman ausgedacht habe. Der allerdings erst zu einem kleinen Teil geschrieben ist. Und dann generell alle Probenstudios und Theaterräume, wenn ich mich während einer Probenphase dort befinde. Da haben diese Räume eine Stille und Leere, die mich euphorisch und zugleich ruhig und konzentriert werden lässt. Meine Ideen finden in diesen Räumen zu einer Gestalt und Form, werden Bilder und Klänge. Es gibt keine schöneren Orte für mich. Sie setzen Energie frei, die über Wochen anhalten kann. Ähnlich funktionierte der Saal des deutschen Literaturinstituts Leipzig, in dem ich drei Monate lang für eine Performance geprobt habe und sie dort per Livestream zeigte. Ich gehe immer noch sehr gern hin, er ist immer noch leer.
In welche Zeit würden Sie sich mit einer Zeitmaschine befördern lassen?
Auf jeden Fall möchte ich in die Zukunft reisen. Die Zukunft hat mich schon immer mehr interessiert als die Vergangenheit. Ich denke oft darüber nach, wie die Menschen in 200 oder auch 1.000 Jahren über uns und die Zeit, in der wir leben, denken werden – es muss ihnen ja alles ähnlich archaisch vorkommen wie uns zum Beispiel die Antike vorkommt. Was wir jetzt als High-Tech empfinden, wird dann Gegenstand von Witzen, Staunen oder Entsetzen über so viel Rückständigkeit sein. Wie wird das Internet aussehen in 500 Jahren? Welche Verkehrsmittel gibt es? Wie hören sich die Sprachen an? Wie sieht die Kleidung aus und was essen die Menschen? Ich würde das alles sehr gern wissen.
Welche historische Person würden Sie gern für eine ausgedehnte Berg- bzw. Strandwanderung treffen?
So leid es mir tut, es ist mir nicht gelungen, diese Frage zu beantworten. Jetzt habe ich bestimmt eine halbe Stunde überlegt, aber so richtig interessiert an einem Spaziergang mit einer historischen Person bin ich einfach nicht. Vielleicht, weil es mir nicht gelingt, mir welche dieser Personen auch immer als realen, jetzt lebenden Menschen vorzustellen. So, wie ich sie mir vorstellen kann, als vergangene Leben, habe ich irgendwie gar keine weiteren Fragen an sie. Vielleicht würde ich lieber jemand aus der Zukunft treffen, siehe vorige Frage. Aber, das merke ich gerade, das würde nur funktionieren, wenn ich dabei auch in der Zukunft wäre.
Letzten Monat lasen Sie Fünf Fragen an Ingo Schulze
Martina Hefter liest am 23. September im Rahmen des Festivals Literatur Jetzt!
Martina Hefter lebt in Leipzig als Autorin und Performerin. Zuletzt erschienen von ihr die Gedichtbände »Es könnte auch schön werden« (2018) und, diesen Juni, »In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen«, beide im kookbooks-Verlag, Berlin. Den zentralen Text von »Es könnte auch schön werden« setzte sie als Solo-Bühnenarbeit für das Festival kook.mono: schrift spricht in Berlin um, sowie mit dem Leipziger Performancekollektiv Pik7 für die Schaubühne Lindenfels in Leipzig. Im März 2021 zeigte Martina Hefter ihre erste größere Solo-Arbeit »Mein Haus meine Freunde mein Pferd« als achtstündigen Stream auf youtube. »Es könnte auch schön werden« erschien in griechischer Übersetzung im Verlag Vakxikon, Athen. Martina Hefter lehrt von Zeit zu Zeit als Gastdozentin für Lyrik und performative Schreibweisen, u.a. am Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst Wien, am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie an der Kunsthochschule Halle Burg Giebichenstein und ist manchmal Gastperformerin in Projekten der Freien Darstellenden Kunst in Leipzig.
Volker Sielaff lebt als Autor und Publizist in Dresden und ist Mitorganisator des Festivals für Zeitgenössische Literatur »Literatur Jetzt!«. Mehrere Gedichtbände und ein Journal liegen vor, unter anderem »Glossar des Prinzen« und »Überall Welt«. Soeben erschien ist im Verlag Voland & Quist / Edition Azur sein neues Buch »Barfuß vor Penelope«. Michael Braun sagte dazu im Deutschlandfunk: »In seinem neuen Gedichtband »Barfuß vor Penelope« treibt Sielaff seine Sprachkunst auf die Spitze und durchläuft hierbei von Kapitel zu Kapitel immer neue Selbstverwandlungen.«