Unsere Lektüre prägt unsere Persönlichkeit. In der Reihe »Die Lesebiografie« schreiben Menschen aus dem Kulturbetrieb über Bücher, die sie beeindruckt und geformt haben, und zeigen sechs Werke aus ihrem Regal, mit denen sie eine besondere Zeit ihres Lebens verbinden. Gute Literatur wirkt in uns lange nach, sie verbindet Menschen in ihren Empfindungen und begleitet sie manchmal ein Leben lang …
Ich habe Macht! Genau das hat vor einiger Zeit eine Autorin zu mir gesagt. Dabei meint sie nicht mich im speziellen sondern die Tätigkeit als Buchbloggerin, der ich nachgehe. Im Jahr 2020 sind circa 69.200 Buchtitel allein auf dem deutschen Markt erschienen. Wie also entscheidet man, welche Bücher man davon liest? Genau, man schaut sich die Rezensionen an, die gerade in Onlineshops oft zu den Büchern zur Verfügung stehen. Die meisten verfassen Menschen wie ich oder meine Bloggerkolleginnen und somit haben wir die Macht zu entscheiden, ob Top oder Flop. Genau das ist es, was die Autorin damit meinte. Ich versuche, neben meiner persönlichen Meinung eher das positive eines Buches hervorzuheben. Geschmäcker sind verschieden und Beiträge zu verfassen, die allein auf dem persönlichen Geschmack beruhen, ist weder konstruktiv noch hilfreich.
Am meisten zu Hause fühle ich mich in der Sparte Jugendbuch. Romance jeglicher Art, ob nun New Adult, Young Adult oder Romantasy. Ich würde fast behaupten, dass es das Genre ist, was von vielen Menschen am meisten belächelt wird. Dabei bietet es so viel mehr als nur eine Liebesgeschichte. Um die Bücher interessant zu halten, ist vor allem der Charakter der Protagonisten entscheidend. Hier muss man sich auf die verschieden Facetten einlassen können, somit setzt man sich selbst instinktiv mit diesen beim Lesen auseinander und das fördert die emotionale Intelligenz und auch die Toleranz anderen Menschen gegenüber. Allerdings ist das nur eine These, die auf meiner persönlichen Erfahrung beruht.
Ich habe lange überlegt, welche Top 6 ich hier vorstelle. Gerade im Bereich Jugendbuch gibt es viele Bücher, die sich auch mit ernsteren Themen befassen, und genau das ist es, was mich daran fasziniert.
Amy Giles: Jene Nacht ist unser Schatten
In diesem Buch geht es um ein sehr aktuelles Thema, was uns leider in den letzten Jahren sehr beschäftigt hat: Zwei Jugendliche, die einen Terroranschlag überlebt haben – ihre Geschwister hatten weniger Glück. Im wesentlichen behandelt das Buch die verschieden Arten der Trauerbewältigung, sowohl bei den Protagonisten als auch ihren Familien. Während Lukas von seinen Eltern überbehütet wird, erlebt Jess genau das Gegenteil und wird praktisch vergessen, während ihre Eltern viel zu beschäftigt mit sich selbst sind. Die Protagonisten stellen sich oft die Frage, warum sie selbst überlebt haben und ob das Schicksal hier wirklich die richtige Wahl getroffen hat. Letztendlich kann diese Frage niemand beantworten, doch als sie zueinander finden, hilft es ihnen, mit dem Erlebten umzugehen, weil sie sich weniger allein fühlen.
Bei diesem Buch würde ich sogar so weit gehen, es als Schullektüre vorzuschlagen, denn Trauerbewältigung ist ein Thema, was jeden angeht. Es ist super interessant geschrieben und bietet sehr viel Stoff für Diskussion und auch Raum für eigene Erfahrungen, die man mit anderen teilen kann.
Jennifer L. Armentrout: Morgen lieb ich dich für immer
Was ist, wenn man von System vergessen wird? In Deutschland ist die Pflegschaft von Kindern sehr strukturiert und streng geregelt, doch in andern Ländern sieht es anders aus. Zu viele Kinder und zu wenig Personal führt immer wieder dazu, dass diese Kinder auf sich allein gestellt sind und genauso geht es den Protagonisten in diesem Buch. Mallory und Rider landen bei einer Pflegefamilie, die alles andere als geeignet dafür ist. Gewalt beherrscht ihren Alltag. Unsichtbar zu sein ist die einzige Möglichkeit, das zu überleben. Jahrelang sind sie diesem Szenario ausgesetzt und haben nur sich selbst. Eines Tages passiert dann etwas, wovor selbst der Staat nicht mehr die Augen verschließen kann, und sie werden getrennt in anderen Familien untergebracht, ohne zu wissen, wo der jeweils andere ist. Jahre später laufen sie sich wieder über den Weg und sind nach wie vor schwer traumatisiert. Das Erlebte sorgt allerdings dafür, dass sie sich tief verbunden fühlen und gemeinsam das Erlebte aufarbeiten.
Immer wieder begegnen mir Themen in Büchern, die mir vor Augen führen, wie viel Leid es gibt. Es ist erschreckend, wozu Menschen fähig sind. Auch wenn die Geschichte auf Fiktion beruht, könnte sie genau so auch passiert sein. Diese Geschichte hat mein Herz sehr gerührt und gerade als Jugendbuch finde ich sie sehr passend. Gewalt innerhalb von Familien ist immer noch ein Tabuthema, bei dem viel zu oft weggeschaut wird, und ich könnte mir vorstellen, dass diese Geschichte auch Mut schenken kann, einzugreifen oder sich Hilfe zu holen.
Michelle Schrenk: Nur ein einziger Tag
Dieses Buch steht stellvertretend für viele Bücher, gerade in Romance Bereich.
Anni überlebt einen Unfall, den sie selbst zu verantworten hat. Damals wird sie von einem Mann gerettet, der allerdings an den Folgen der Rettung stirbt. Sie kann kaum mit dieser Schuld leben und beschließt, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen, und gründet den Wünschewagen. Anni und ihre Kollegen begleiten Sterbende bei ihren letzten Wünschen. Mal möchten diese nur ihr Elternhaus noch einmal sehen oder an Orte, die für sie persönlich wichtig sind. Das Buch hat mich sehr berührt und auch ein wenig geerdet.
Tatsächlich findet man das Thema soziales Engagement immer wieder in diesem Genre, ob in Form von Tierschutz oder als andere ehrenamtliche Hilfe. Meistens wird es nur als Randthema behandelt, trotzdem gefällt es mir sehr, dass Autoren in diesem Genre ihren Einfluss nutzen, um darauf aufmerksam zu machen.
Helen Hoang: Kissing Lessons
So vielschichtig wie das Leben sind auch die Charaktere in Büchern.
Stella hat das Gefühl, zum Thema Liebe und vor allen bei zwischenmenschlichen Beziehung noch sehr viel lernen zu müssen. Was eignet sich da besser als ein Callboy, mit dem sie Erfahrungen sammeln kann und der ihr Fragen beantwortet, die man sonst niemandem stellen kann? Klingt zunächst wie ein ganz normaler Auftakt einer wunderschönen Liebesgeschichte.
Doch Stella unterscheidet sich von anderen Menschen ein wenig: Sie ist Asperger-Autistin. Was dieses Buch für mich zu etwas Besonderen macht. Besonders real wird die Geschichte, wenn man sich mit der Autorin auseinandersetzt, denn sie spricht aus Erfahrung. Bei ihr wurde die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt und ihre eigenen Empfindungen und Erlebnisse fließen in die Geschichte mit ein. Ich persönlich mag es sehr, wenn sich durch Geschichten mein eigener Horizont erweitert, und genau aus diesem Grund liebe ich die Geschichte einfach sehr.
Ava Reed: Ashes and Souls
Auf ins Genre Romantasy. Ich bin ein Mensch, der nicht immer nur im gleichen Genre liest, sondern auch die Abwechslung mag. Romance darf zwar nicht fehlen, aber in Verbindung mit Fantasy ist es einfach toll, in andere Welten abzutauchen oder die Realität ein wenig auf den Kopf zu stellen.
Diese Dilogie ist bei mir besonders hängengeblieben.
Mila kann den Tod der Menschen voraussehen. Woher sie die Gabe hat, weiß sie nicht, doch sie darf sich niemanden anvertrauen. Nachdem ihre Mutter stirbt, macht sie sich auf, in ihrer Geburtsstadt Prag nach hinweisen zu suchen, denn ihre Mutter hat ihr nie erzählt, wer ihr Vater ist. In Prag angekommen, trifft sie auf Tariel und seine zwei Freunde. Er bietet ihr an, ihr die Stadt zu zeigen, doch was er verheimlicht, ist die Tatsache, dass er ein Engel aus dem Himmel ist und ausgesandt wurde, um sie zu töten, denn die Gabe, die sie besitzt, bringt das Gleichgewicht der Existenz durcheinander. Ausgerechnet Asher, ein Engel aus der Hölle, verliebt sich in sie und beschützt sie mit seinem Leben. Ein guter Engel aus dem Himmel, der töten soll, und ein schlechter Engel aus der Hölle, der Gutes tut. Genau diese Problematik hat mich bei diesem Buch absolut gefesselt. Es zeigt, dass es kein Gut oder Schlecht gibt, sondern dass wir uns alle in Grauzonen bewegen, ohne dass man Menschen wirklich definieren kann.
Stephenie Meyer: Biss zum Morgengrauen
Ja, ich habe es gewagt. Ich oute mich als Fan dieser Bücher. Dieses Buch ist tatsächlich das meist gelesene Buch meiner Sammlung.
In mehrerer Hinsicht hat mich diese Geschichte begleitet. Zum einen habe ich die Reihe kurz nach der Geburt meines Kindes gelesen und schon deshalb ist es in meinem Herzen tief verankert, aber es ist auch für mich persönlich das Tor zum Genre Fantasy geworden. Das erste Buch, was ich in diesem Genre gelesen habe, und bis heute bin ich super dankbar dafür.
Was genau mich an dieser Geschichte bis heute so fasziniert, kann ich nicht wirklich benennen. Zum einen ist es die Handlung der Geschichte, die zum damaligen Zeitpunkt für mich nicht vorhersehbar war, aber auch die Vielseitigkeit der verschiedene Charaktere, die einfach perfekt harmonieren. Bella als Hauptprotagonistin, die ihrem Herzen folgt und sich auf etwas einlässt, dessen Ausgang so ungewiss ist. Edward, der stellenweise wirklich intensiv agiert und auch die Tatsache, dass es vegetarische Vampire« gibt, war einfach so neu und anders als alles, was ich bis dahin gelesen hatte, und genau aus diesem Grund ist dieses Buch für mich eine Herzensangelegenheit.
Im Endeffekt hab ich die Erfahrung gemacht, dass vor allem der Zufall beim Lesen eine große Rolle spielt. Das Buch kann noch so gut sein, aber wenn man es zum falschen Zeitpunkt liest, wird es dich nicht erreichen.
Letzten Monat lasen Sie Sechs Bücher aus dem Regal von Kaddi Cutz
Jaqueline Metzger wuchs ohne Soziale Medien auf. Mit 12 Jahren verliebte sie sich in die Abenteuer von »Hanni und Nanni«. Mittlerweile bloggt sie seit zwei Jahren auf Instagram unter dem Account Jackys_Worlds_of_Books, dem 2.000 Menschen folgen. Sie erklärt: »Bis dahin war mir nicht bewusst, wie viele Menschen da draußen meine Leidenschaft teilen. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass ich auch selbst dort so viel Inspiration, Buchtipps und vor allem den Austausch finde.« Buddyreads (Lese mit Lesepartner) oder Gruppen, die von den Autoren begleitet werden, erweitern ihren Einblick in die Werke und gehören inzwischen zu ihrem Alltag. Nach zehn Jahren in Bayern, wo sie ihre Ausbildung machte, lebt sie jetzt wieder mit ihrer Familie in ihrer Geburtsstadt Pirna.