Anne Lena Mösken, Grit Lemke und Deniz Yücel in Annaberg (c) PEN Berlin
/ 2
16.08.2024
PEN Berlin / Literaturnetz Dresden

»Gibt es in Deutschland Meinungsfreiheit?«

Zur Gesprächsreihe des PEN Berlin

Zurück

Unter dem Titel »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen – Gespräche über Demokratie und Meinungsfreiheit« hat der PEN Berlin im Vorfeld der Landtagswahlen eine Gesprächsreihe in Sachsen, Thüringen und Brandenburg organisiert. 37 Veranstaltungen, von Annaberg bis Perleberg, von Ilmenau bis Zwickau.

Der Einsatz für die Meinungsfreiheit steht im Zentrum der internationalen Autor:innenvereinigung PEN. Auch in Deutschland ist es nach Wahrnehmung vieler um die Meinungsfreiheit nicht gut bestellt. Einerseits waren die Mittel und Möglichkeiten, Kritik zu formulieren und sich Gehör zu verschaffen, noch nie so groß wie heute. Zugleich wächst die Zahl derer, die sich eingeschränkt fühlen.

Waren im Jahr 1990 noch 78 Prozent der Deutschen der Ansicht, man könne hierzulande seine Ansichten frei äußern, und nur 16 Prozent Vorsicht für angebracht hielten, haben sich die beiden Werte seither kontinuierlich angenähert. Im Jahr 2023 ermittelte das Allensbach-Institut erstmals eine größere Zustimmung dafür, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt sei (44 Prozent), als für das Gegenteil, die Meinungsfreiheit sei gegeben (40 Prozent).

Meinungsfreiheit bedeutet nicht, vom Widerspruch befreit zu sein. Aber bereits das Gefühl eingeschränkter Meinungsfreiheit erschwert den gesellschaftlichen Dialog. Denn wer glaubt, nicht frei sprechen zu können, ist auch viel weniger bereit, seinem Gegenüber zuzuhören.

Hier will PEN Berlin mit dieser Veranstaltungsreihe ansetzen. Darum lautet die Eingangsfrage ist an jedem Abend gleich: »Gibt es in Deutschland Meinungsfreiheit?«

Die erste sächsische Diskussionsrunde fand am 5. August in Chemnitz statt. Auf dem Podium saßen Ilko-Sascha Kowalczuk und Dirk Oschmann, die Moderation führte Bettina Baltschev. Weitere Veranstaltungen folgten bereits u.a. in Bautzen, Pirna und Großenhain. Als kleines Schlaglicht soll hier die Autorin und Filmemacherin Grit Lemke zitiert werden, die auf die Eingangsfrage antwortete:

Da würde ich sofort aus vollem Herzen ja sagen. Natürlich gibt es politisch und juristisch Meinungsfreiheit. Niemand wird hier eingesperrt, weil er irgendwas sagt. Dennoch glaube ich, dass wir keine Kultur der Meinungsfreiheit haben. Weil man in den letzten Jahren wirklich aufpassen muss, wie man sich öffentlich äußert, welche Worte man benutzt und welche nicht. Und dass immer so eine Unbedingtheit gefordert wird. Was das betrifft, erinnert mich wirklich vieles an die DDR. Nicht im Sinne von Diktatur – da will ich nicht falsch verstanden werden. Aber dieses »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns« – das ist das, was ich in der DDR am meisten gehasst habe und was ich dem Land am meisten übelgenommen habe. […] Wir haben damals so gekämpft für das Recht am Zweifel, am Widerspruch. Dafür, Dinge nicht zu wissen und auch mal etwas falsches zu sagen. Das ist ja auch etwas, woraus Kunst erwächst. Mit meinem letzten Film habe ich viele Probleme gehabt, weil da irgend ein Wort falsch ist und so … das erinnert mich dann schon oft an früher. Und das ist keine Kultur der Meinungsfreiheit, obwohl wir sie juristisch zu hundert Prozent haben.

(Annaberg, 7. August, mdl. Zitat redaktionell gekürzt)

Alle Veranstaltungen sind auf der Webseite des PEN Berlin nachzuhören bzw. anzuschauen.

 

Die nächsten Veranstaltungen finden hier statt: