Traian Pop Traian, Foto: Marga Bilec
12.06.2025
Literaturnetz Dresden

»Ich bin ein sehr emotionaler Mensch«

Traian Pop Traian liest im Juni in Dresden

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Fragt man ihn nach seiner Kunst, erklärt Traian Pop: »Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und es beeindruckt mich als Autor immer wieder, dass sich jemand geduldig anhört, was ich geschrieben habe.« Der rumänisch-deutsche Schriftsteller wird von Kollegen als ›Rebell‹ der achtziger Jahre bezeichnet, als ›Zorniger‹ – »wenn nicht als Rädelsführer unter den rumänischen Poeten im Widerstand gegen die Diktatur« (Georg Scherg). Im Juni liest Traian Pop Traian im Erich Kästner Haus für Literatur.

Sie sind als Verleger und Autor aktiv – in welchen Bereich stecken Sie im Moment mehr Energie?

Traian Pop Traian: Ich bin, wenn ich das sagen darf, eine Art Kuriosum oder Exot. Eine seltsame Kombination aus rumänischem Autor und deutschem Verleger: Der Verleger bereitet dem Autor, dem er furchtbar Unrecht tut, große Probleme und raubt ihm einen Großteil seiner Zeit und Energie. Ich vermute, dass dies vor allem auf die Notwendigkeit zurückzuführen ist, die in einer solchen Situation zur Gründung eines Verlags führte. Denn es hat sich einfach so ergeben, dass es diesen Verlag unbedingt geben sollte – trotz der Vielzahl von Verlagen. Ich habe den Beruf des Verlegers nicht erlernt, sondern wurde durch die Umstände dazu gezwungen, ohne mir die Zeit zu lassen, mich zu fragen, ob ich es schaffen könnte. Ich bin weder Mäzen noch Geschäftsmann. Ich bin ein einfacher Literaturliebhaber, der sich in den Dienst von Autoren stellt, an die er glaubt – mit dem Risiko, nicht nur Energie, Zeit und das wenige Geld zu investieren, das man als Angestellter eines Unternehmens verdient, sondern auch das Nötigste zu gefährden, das ihm, dem Autor, seiner Familie, seinen Kindern und seiner Gesundheit zusteht. Ein oft gespanntes Verhältnis zwischen dem Verleger, der sich vorgenommen hat, Texte zu veröffentlichen, von denen er glaubt, dass sie gelesen werden müssten, und dem Autor, der nicht mehr weiß, wie er vorgehen soll, um beim Verleger Gehör zu finden …

Was sind die aktuellen Projekte?

Traian Pop Traian: Zum Plan des Verlags gehört das Erscheinen (in der geplanten Reihenfolge) einiger Romane von Eginald Schlattner (Die dritte Nacht), Zoltán Böszörményi (Zerrissenheit), Emilian Galaicu-Păun (Lebendes Gewebe 10×10), Hans-Henning Paetzke (Verschüttet), Balázs Mesterházy (Jinker), außerdem zweier Prosabände von Anatolij Gawrilow und Elmar Schenkel, dazu kommen einige Gedichtbände von Peter Gehrisch, Dinu Flamand, Vicente Huidobro, Nicolae Tzone, Ana Blandiana, Franz Hodjak, Benedikt Dyrlich, Klára Hůrková und Emilian Roșculescu Papi sowie ein Essayband der verstorbenen ungarischen Autorin Ágnes Nemes Nagy, und ein »Lesezeichen-Band« mit von und über Ilse Hehn – der Verleger hat sich, wie sie sehen, ziemlich viel vorgenommen!

Der Autor hofft, noch in diesem Jahr einen Essayband bei einem deutschen Verlag und einen – seit vielen Jahren aufgeschobenen – Roman sowie zwei Gedichtbände bei einem rumänischen Verlag abliefern zu können.

Was benötigen Sie, um zu schreiben?

Traian Pop Traian: Ich schreibe ständig – in meinem Kopf. Auf Papier oder im Computer gelingt es mir, einige meiner Gedanken festzuhalten, wenn ich es wage, den Verleger daran zu erinnern, dass der Autor weiterhin seine Rechte hat. Manchmal erpresse ich ihn sogar, indem ich ihn daran erinnere, dass ich in einem Alter bin, in dem ich es mir nicht mehr leisten kann, Projekte auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Ich schreibe zwar überall, aber für die Umsetzung, von der ich oben sprach, brauche ich vor allem Zeit und Ruhe. Wenn ich mit dem »Transkribieren« beginne, ziehe ich mich in eine Ecke der Welt zurück, die auch die Ecke des Tisches sein kann, an dem mein Laptop steht, und höre auf, E-Mails zu lesen, Nachrichten zu verfolgen oder Anrufe zu beantworten. Ich überlege, bald zu versuchen, ein Schreibstipendium zu erhalten, das mir, wenn auch nur vorübergehend, materielle Unabhängigkeit sichert, um mich ausschließlich dem Schreiben zu widmen.

Wann waren Sie zum letzten Mal in Dresden?

Traian Pop Traian: In Dresden war ich schon in den 80er-Jahren anlässlich einer DDR-Tournee des Deutschen Staatstheaters Temeswar, wo ich als Tontechniker arbeitete. Die Spuren der anglo-amerikanischen Bombenangriffe beeindruckten mich, erschreckender als der Inhalt von Kurt Vonneguts berühmtem Roman Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug. Inzwischen bin ich zweimal in die Stadt zurückgekehrt, die den Namen Elbflorenz verdient. Ich nutzte die Gelegenheit, unter anderem das Kunst-Museum, das Hygiene-Museum und den Zwinger zu besuchen oder das Elbufer, den Fürstenzug und die endlosen Grünflächen zu bewundern. In Dresden fand, Jahre danach, das Treffen des Exil-PENs statt, bei dem ich als Mitglied bestätigt wurde. Es waren unvergessliche Tage mit einigen Autoren, die später meine Freunde wurden.

Was werden Sie unternehmen, wenn Sie wieder in der Stadt sind?

Traian Pop Traian: Ich werde mich freuen, die bekannten Wahrzeichen der Stadt wiederzusehen, angefangen beim Dresdner Hauptbahnhof über die Frauenkirche – auch wenn ich es befürwortet hätte, wenn sie an anderer Stelle wieder aufgebaut worden wäre und die Überreste der Bombardierungen wären als Mahnmal für diejenigen erhalten geblieben, die immer noch kriegerische Handlungen bevorzugen … Dann den Fürstenzug bis hin zum Heidefriedhof. Vor allem aber werde ich mich freuen, ein paar Freunde wiederzusehen, unter anderem Peter Gehrisch, Benedikt Dyrlich, Axel Helbig, Alexander Estis (der jetzige Dresdner Stadtschreiber), sowie Michael Fritz persönlich kennenzulernen, auf dessen Einladung ich nach Dresden komme.

Wie wichtig empfinden Sie die analoge Präsenz von Künstler*innen in der Gesellschaft?

Traian Pop Traian: Der Schriftsteller ist per Definition ein Einzelgänger. Das bedeutet keineswegs, dass er die Gesellschaft meidet, im Gegenteil. Selbst wenn er „für sich“ schreibt – ich glaube nicht an den Schriftsteller, der für die Öffentlichkeit schreibt, sondern an den, der »aus sich selbst heraus« schreibt, das heißt, in erster Linie sich selber mitteilt.

Selbst wenn er sich zum Schreiben zurückzieht, ist der Autor gesellig und braucht viel mehr Präsenz unter den Lesern, als sich diejenigen vorstellen, die nur an den sogenannten »Elfenbeinturm« denken. Für mich persönlich ist der Kontakt mit der Öffentlichkeit geradezu lebenswichtig: Meine Situation als Emigrant bringt eine erhebliche Dosis Isolation mit sich, die, »unbehandelt«, mit der Zeit unweigerlich zur Ghettoisierung führt. Ich vermute, dass selbst dieses als »physisch« empfundene Bedürfnis, zu der Welt zu gehören, in der ich lebe und meinen Lebensunterhalt verdiene, mich zu dieser Geste getrieben hat, die ich immer noch als extrem erachte: einen Verlag zu gründen, der inzwischen Anerkennung genießt, wie nicht nur der Deutsche Verlagspreis 2024 beweist, sondern vor allem die Wertschätzung von Autoren wie Hans Bender, Imre Török, Kurt Drawert, Friederike Mayröcker, Elmar Schenkel, Dieter Schlesak, Horst Samson, Johann Lippet, Richard Wagner, Eginald Schlattner, Imre Török, Herta Müller – um nur einige zu nennen, die mir ihre Manuskripte anvertrauten, um sie als Buch oder in einer der beiden von mir betreuten Literaturzeitschriften, MATRIX und BAWÜLON, zu veröffentlichen.

Auch der Publikumskontakt bei Ihren eigenen Lesungen ergänzt Ihre künstlerische Tätigkeit …

Traian Pop Traian: Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, und es beeindruckt mich als Autor immer wieder, dass sich jemand geduldig anhört, was ich geschrieben habe. Mir ist es sogar schon passiert, dass mir bei manchen Lesungen die Tränen kamen.

Eine der häufigen Bemerkungen bei den Lesungen war, dass ich sehr authentisch bin, entwaffnend authentisch. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich anders sein könnte. Natürlich kommen Diskussionen nicht um die heikle Situation herum, in der sich der Schriftsteller befindet, der mit dem Verlassen seines Landes gewissermaßen auch seine Muttersprache verlässt: mit anderen Worten, er wird nicht nur heimatlos, sondern auch sprachlos. Es ist ein interessantes Thema, das mich beschäftigt, zumal ich die Sprache des Wahllandes – so gut wie möglich – »im Flug« und erst im hohen Alter erlernt habe. Diese Situation kann einerseits als großes Handicap, andererseits als Chance betrachtet werden. Ich sehe sie als eine Herausforderung, der ich mich nach besten Kräften stelle, ohne zu versuchen, mich zu jemand anderem zu machen. Manchmal bin ich geneigt zu glauben, dass es mir gelingt.

Welches Thema treibt Sie aktuell um?

Traian Pop Traian: Wir fieberten seinerzeit mit der Beat-Generation, den Hippies und anderen »Aussteigern«, stellten sie uns vor und idealisierten sie, während die bedrückende Realität, in der wir hinter dem Eisernen Vorhang aufwuchsen – lebten, liebten und hassten – durch die Infantilität unserer Gesten erträglicher wurde. Eine Realität, die selbst dann noch ihre Zähne zeigte, als wir nach dem Fall des kommunistischen Regimes dachten, alles sei vorbei. Dies ist das Thema des Romans, der in Rumänien auf die Übergabe an den Verlag wartet.

Ein leider ebenso aktuelles Thema ist Zerstörung, denn alles, was auf die eine oder andere Weise erreicht wurde, hat enorme Anstrengungen erfordert. Zerstörung entwaffnet mich einfach. Wenn die Menschen genau hinsehen würden, wer von dieser Zerstörung profitiert, gäbe es viel weniger Zerstörung. Denn allen zerstörerischen Handlungen liegen mehr oder weniger offensichtliche Interessen zugrunde.

Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt?

Traian Pop Traian: Das war Nichita Danilovs Gedichtband Vulturii orbi / Die blinden Adler, ins Deutsche übersetzt von Jan Koneffke. Und, ja, Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder, der Roman, den ich gerade lese.

Unter den Romanen, die ich Leser*innen unbedingt empfehlen kann, Romane, die ich während deren Veröffentlichung in meinem Verlag zumindest ein paar Mal gelesen habe, empfehle ich einen der besten Romane, die im Rumänien des 20. Jahrhunderts geschrieben wurden: Frohe Botschaft von Nicolae Breban in der hervorragenden Übersetzung von Georg Aescht.

Das Gespräch führte Josefine Gottwald.

 

Am 17. Juni liest Traian Pop Traian 19 Uhr im Rahmen der Reihe »Sprachen machen Leute« im Erich Kästner Haus für Literatur.

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Traian Pop oder Traian Pop Traian, wurde 1952 in Kronstadt/Rumänien geboren und ist als Autor, Herausgeber und Verleger aktiv. Als Toningenieur, Texter und Bühnenarbeiter wirkte er bei Rockkonzerten und am Theater. Seit 1990 ist er deutscher Staatsbürger, 2003 gründete er den Pop Verlag Ludwigsburg, der 2024 den Deutschen Verlagspreis erhielt. Traian Pop ist Mitglied des P.E.N., VS sowie des rumänischen Schriftstellerverbands.

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