Wolfgang Hilbig © Jürgen Bauer
01.11.2021
Literaturnetz Dresden

Dunkel und abgründig

Zwei Veranstaltungen erinnern an Wolfgang Hilbig

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Wolfgang Hilbig zählt zu den bedeutendsten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur – und war ein Außenseiter. 1941 im thüringischen Meuselwitz geboren, wuchs er in einer Bergarbeiterfamilie auf. Beim Schreiben hat er immer wieder seine Herkunft hinterfragt. Sein Großvater war Analphabet, und er selbst machte nach der Volksschule zunächst eine Lehre zum Dreher. Nach dem Wehrdienst arbeitete er als Werkzeugmacher, Hilfsschlosser und Abräumer in einer Ausflugsgaststätte. Er war ein schreibender Autodidakt, sagt sein Biograph Michael Opitz: Dass er so gut mit Sprache umgehen konnte, sei ihm selbst ein Rätsel gewesen, das er nicht habe lösen können. Von 1981 bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik lebte er in Ost-Berlin und Leipzig als freier Schriftsteller. In der DDR blieben seine Texte – bis auf wenige Ausnahmen – ungedruckt; sein erster Lyrikband Abwesenheit (1979) erschien im S. Fischer Verlag in Frankfurt/ Main, was ihm eine Geldstrafe wegen »Devisenvergehens« einbrachte.

Jayne-Ann Igel erinnert sich: »Hilbig, der doch alle Kriterien aufzuweisen hatte, um als Erfolgsbeispiel eines Schreibenden Arbeiters gelten zu können, als Beispiel für die Sinnhaltigkeit jener von oben inszenierten breitenkulturellen Kampagne Greif zur Feder Kumpel, die man auf der Bitterfelder Konferenz 1959 beschlossen hatte, war von Verlagen, öffentlichen Einrichtungen und der Druckgenehmigungsbehörde offenbar ignoriert worden. Und man konnte nur Vermutungen anstellen, was sie an diesem Arbeiter und Dichter störte: Das Dunkle oder Abgründige, das sie zu erkennen glaubten und das tatsächlich gleich Einschlüssen in einem Gestein in seinen Texten opalisiert, etwas, das für sie nicht einzuordnen war, das sie verunsicherte und das sie also folgerichtig gewittert hatten. Und weil der Autor dieser Texte weit über das hinausgegangen, was man von einem Autor seiner Provenienz erwartete, er kein Realist in ihrem Sinne war.« (freitag.de)

Hilbig wurde für seine Literatur mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Brüder-Grimm-Preis, dem Kranichsteiner Literaturpreis, dem Ingeborg-Bachmann-Preis, dem Bremer Literaturpreis und dem Georg-Büchner-Preis. 2007 starb er in Berlin.

Veranstaltungen

Im Rahmen des Internationalen Wolfgang-Hilbig-Jahres 2021/2022 erinnern zwei Veranstaltungen an den Dichter. Am Dienstag, dem 2.11., stellt der Literaturwissenschaftler Michael Opitz im Erich Kästner Haus für Literatur eine Edition mit Briefen Wolfgang Hilbigs an DDR-Ministerien, Minister und Behörden vor: »Ich unterwerfe mich nicht der Zensur«. Am Tag darauf, Mittwoch 3.11., findet in der Zentralbibliothek »Der Dichter der Nacht. Ein Wolfgang Hilbig-Abend mit Text und Musik« mit Michael Hametner und Dieter Kalka statt.