35 Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Unabhängige Schriftsteller Assoziation Dresden (ASSO) mit ihrem letzten Lesefest verabschiedet.
Ein Kapitel in Dresdens jüngster Literaturgeschichte schließt sich. Nach 35 Jahren löst sich die Unabhängige Schriftsteller Assoziation Dresden (ASSO) auf. Zum letzten Mal luden verbliebene Mitglieder am 11. April zu einem Lesefest ins Erich Kästner Haus ein.
Die Gründungsinitiative war eine Gegenbewegung zum überlebten DDR-Schriftstellerverband. Von jenen Ausgebremsten, die ihre Texte nur in Künstlerbüchern veröffentlichen konnten, in winzigen Auflagen. Im Dezember 1989 erschien in mehreren Dresdner Tageszeitungen ein kurzer Text, überschrieben mit der provozierenden Frage: »Schriftsteller untergetaucht?«.
Verfasst hatte ihn Bernhard Theilmann (1949-2017), Mitgründer der Obergrabenpresse, wie der Dichter Gregor Kunz berichtet. »Er kam mit dem Aufruf zu mir und fragte, ob ich mit unterschreiben würde.« Neben den beiden setzten auch die Dichter Manfred Streubel (1932-1992) und Michael Wüstefeld, Jahrgang 1951, ihre Namen darunter. Am Ende stand die Aufforderung, das Schweigen zu beenden: »Eingeladen sind alle Autoren, die sich ihrer Texte und Taten nicht schämen müssen. Reden wir über unsere Zukunft.«
Das allerdings artete bei den ersten Zusammenkünften zu Tumulten aus, wie Norbert Weiß berichtet »Es hagelte gegenseitige Schuldzuweisungen, Schimpftiraden und Verdächtigungen. Mancher schüttelte verwundert den Kopf oder verließ wutentbrannt den Versammlungsraum. Die älteren Autoren wollte zuvörderst geklärt wissen, was denn nun aus den Rentenansprüchen würde. Andere meinten, längst überfällige Nachauflagen ihrer Bücher einfordern zu müssen.«
Übrig blieben ganze 15. Sie gründeten am 5. Mai 1990 im Klub Müllerbrunnen die ASSO als Verein. Zum Vorsitzenden wählten sie den Lyriker Uwe Hübner (1951-2024), im Brotberuf Heizer. Michael Wüstefeld war dabei, »weil dem völlig überalterten Schriftstellerverband, Bezirk Dresden, etwas entgegengesetzt werden musste, um ausgeübte Gängelung, Bevormundung und Deutungshoheit durch Verbandsmitglieder einzugrenzen oder, besser noch, zu beenden.«
Bald wuchs die Zahl der Mitglieder auf über 30. Als »Solidargemeinschaft der Schreibenden« definierte sich die ASSO, wie Norbert Weiß sagt. Obenan gestanden habe, Lesungen zu veranstalten, vor allem Publikationsmöglichkeiten zu schaffen, so Michael Wüstefeld. Die schuf sich der Verein mit der 1993 etablierten YESS-Reihe im Hellerau-Verlag. 23 der schmalen Bändchen erschienen bis 1998: Gedichte, Erzählungen, Essays, als Debüts jener, die bis dahin für die Schublade geschrieben hatten. Texte konnte man außerdem in drei Anthologien lesen: Monolog des Sandes (1992), Warteräume im Klee (1995) und Zum anderen Ufer (1999).
Zu den nachhaltigsten Initiativen der ASSO zählen zwei Periodika, die das literarische Leben in Dresden prägten. Bei Ostragehege, der 1994 gegründeten Literatur- und Kunstzeitschrift, war der Verein in den ersten Jahren Herausgeber. 1995 starteten ASSO-Mitglieder den Verlag Die Scheune. Der brachte 1999/2000 Signum heraus. Im März ist deren letzte Nummer erschienen – ein weiteres nun beendetes Kapitel. Auch die Idee zum deutsch-tschechischen Dresdner Lyrikpreis, den die Stadt seit 1996 bis heute verleiht, wurde in der ASSO geboren.
Mehrmals im Jahr trafen sich die Mitglieder zu Versammlungen, Werkstätten, Stammtischen und gemeinsamen Lesungen. Sie knüpften Kontakte zu Vereinen in Frankfurt am Main, München, Gräfelfingen und ins polnische Wroclaw (Breslau).
»Eine Vereinigung wie die ASSO lebt vom Engagement ihrer Mitglieder«, resümiert Gregor Kunz. »Da sie so lange existiert hat, muss sie Bedürfnisse erfüllt und einen Sinn gehabt haben.« Der scheint nun geschwunden, das Engagement erlahmt zu sein. Bei der letzten Vorstandswahl 2023 hätten alle Kandidaten erklärt, zum letzten Mal anzutreten, sagt Uwe Salzbrenner. »Andere haben sich nicht gefunden.« Das setzt den Schlusspunkt. Zuletzt waren sie noch 16 Mitglieder, wieder etwa so viele wie am Anfang.
Zuerst erschienen in Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) Kultur.