»Die Buchmesse ist nur das Warmup gewesen!« So eine Aussage mutet merkwürdig an, wenn man Katja Völkel nicht kennt und noch nicht weiß, mit wie viel Energie sie ihre Projekte verfolgt. Am morgen ist es also ein Pop-up-Store.
Die Verlegerin des Ultraviolett Verlags sieht sich als Vollblutnetzwerkerin: Gemeinschaftsmessestände, liebevoll kuratierte Buchevents oder das Indie-Verlagsnetzwerk Schöne Bücher sind ihre Heimat. Für das Geschäft, das sie fünf Wochen Die Welt der Bücher nennt, wünscht sie sich, dass es nicht nur ein Ort des Verkaufs, sondern auch des Austauschs wird.
Läden beleben
Auf der Ladenfläche auf 124 Quadratmetern gab es bis letzte Woche noch die Fotoausstellung Ansichtssache zu betrachten. Die Räume auf der Hauptstraße 42/44, nur einen Spaziergang von Thalia und der Bäckerei Emils 1910 entfernt, werden noch bis Ende 2024 von der Stadt Dresden zur »Erprobung kreativer (Geschäfts-)Ideen« gemietet. Über das Projekt Kreativ.Raum.Börse können sich Akteur*innen dafür bewerben und zahlen bis zu sechs Monate nur die Nebenkosten – zusätzlich haben sie die Möglichkeit, Veranstaltungen auszurichten.
Profitieren sollen alle davon. Ebenso wie die zweite Fläche im Projekt, der Gewerberaum auf der Wilsdruffer Straße 16, verzeichnet die Hauptstraße aktuell sichtbaren Leerstand. Angrenzende Läden brauchen das Einkaufsflair, Touristen fühlen sich damit wohler, aber auch Einheimische sollen in ihrer Stadt wieder auf Entdeckungstour gehen können, so Steffen Rietzschel vom Amt für Wirtschaftsförderung. Gemeinsam mit dem Kulturamt hat man zu dem Zweck Bundesmittel* akquiriert.
Für die Nutzung bewerben können sich »Akteur*innen aus der Kunst, Kultur- und Kreativwirtschaft, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft sowie Unternehmen aller Branchen«. Bereits im Juni letzten Jahres waren erste Umsetzungen zu bewundern, Kooperationen dabei stark erwünscht: Die 3D-Druckausstellung von Architekturstudent*innen der TU mit dem Titel Übergänge in der Wilsdruffer Straße wurde auch von der SLUB unterstützt.
Nun also die Literaturszene. Auf der Hauptstraße gab es bisher unter anderem eine Pop-up-Ausstellung der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden in Kooperation mit der Fotografin Karen Weinert. Die Exponate zum Titel Ein Nest [a nest] thematisierten Biodiversität im urbanen Raum. Das Senckenberg Museum Dresden betrachtete das Projekt damals als »Schaufenster« zu seiner Forschungsarbeit, Workshops ergänzten die Führungen. Und auch ein Kreativkaufhaus – den Offline-Shop – gab es an dieser Stelle schon. Aber noch kein Buchgeschäft.
Begegnung mit Buch
Einen weiteren Buchladen zu eröffnen, sei gar nicht ihre primäre Absicht, erklärt Katja Völkel angesichts der fußläufig erreichbaren Buchhandlungen LeseLust in den Kunsthandwerkerpassagen, dem Erich Kästner Haus für Literatur am Albertplatz und der Thalia-Filiale Hauptstraße. In den fünf Wochen, die sie die Tore öffnet, möchte die Verlegerin vor allem Begegnungen schaffen: »Innerhalb der Szene, zwischen Verlagen und Autor*innen untereinander, aber auch zwischen Literaturschaffenden und Lesenden!«
Ihr Programm ist randvoll gestopft: Workshops mit einem Buchbinder und einer Comiczeichnerin oder Kinderbuch-Lesungen zum Muttertag schaffen »Bucherlebnisse zum Anfassen«. Katja Völkel ist gespannt, wie es ihr in ihrer vierten Branchenrolle gefallen wird – neben den Erfolgen mit Ultraviolett, wie dem Preis des Meißener Literaturfests für das Debüt von Julia Gilfert, war sie als Lektorin aktiv, zuletzt sogar als Autorin: Mit der Veröffentlichung eines Kochbuchs. In ihrem Erlebnisstore lädt sie jetzt zum Tasting dazu ein und erklärt: »Perspektivwechsel sind immer spannend für mich!«
Auf das Projekt gekommen ist sie durch die Initiative Wir gestalten Dresden: Der Branchenverband der Kultur- und Kreativwirtschaft initiiert das Projekt Dresden findet InnenStadt und unterstützt in dem Rahmen die Kreativ.Raum.Börse. Katja Völkel hat bei Wir gestalten Dresden den Aufsichtsratsposten für den Buchmarkt inne.
Ein Markt mit Platz
Ihre Regale füllt sie darum mit den Werken lokaler Akteur*innen; viele sächsische Verlage kennt sie inzwischen persönlich, auch durch das Indie-Netzwerk Schöne Bücher. »Mirabilis und Paperento wollte ich unbedingt dabei haben! Mein enger Kontakt zeigt mir das Engagement und die gute Qualität vieler Kleinverlage.«
Für Katja Völkel ist der Pop-up-Erlebnisstore ein Knotenpunkt, das Netzwerken eine Bereicherung. Sie suchte nach Büchern mit Sachsenbezug und Werken regionaler Autor*innen – dabei will sie alle Genres abdecken. Außerdem unterstützt sie Initiativen von Autor*innen der Dresdner Szene: Silvio Colditz stellt während der gesamten Öffnungszeit poetische Kalligrafien aus, und Windlust-Verleger René Seim a.k.a. DJ Cramér legt bei der Eröffnung auf.
Nicht zuletzt geht es bei der Initiative um Sichtbarkeit. Wirtschaftsbürgermeister Jan Pratzka möchte mit dem Projekt auf die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Buchmarktes in Dresden aufmerksam machen. Mit rund 11 Millionen Euro Umsatz und 730 Beschäftigten laut Erhebung 2016 entspreche die Teilbranche der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen und sei aus der Kreislaufwirtschaft nicht wegzudenken.
Im Kulturamt freut man sich jedenfalls über die große Resonanz der Bewerbungen. Schon nach bei der ersten Ausschreibung erklärte Amtsleiter David Klein: »Das lässt den hohen Bedarf und den Gestaltungswillen der Akteur*innen erkennen.« Er verfolge damit eine Strategie für mehr Nachhaltigkeit und möchte auch weiterhin Kreative einladen, die Räume mit Leben zu füllen.
Da bleibt doch nur noch, das Glas zu heben und das erste Buch aufzuschlagen!
Text von Josefine Gottwald
Die Eröffnungsfeier findet am 12. April ab 18 Uhr statt. Der Pop-up-Store öffnet die Türen bis zum 19. Mai von Dienstag bis Freitag 12 bis 18 Uhr und am Samstag 12 bis 16 Uhr.
aus dem Programm
Grußwort Wirtschaftsbürgermeister
Jan Pratzka
Vernissage
Dresdner Kalligraf Silvio Colditz
Gastbeitrag »Das Warten auf Leben. Von Menschen und Papieren«
Yvonn Spauschus und Moussa Mbarek, Mirabilis Verlag
Musik
DJ Cramér
Häppchen & Getränke
* Die Mittel stammen vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, mehr zum Hintergrund des Projekts unter dresden.de